Nach den melodiösen Alben der letzten Wochen drehe ich diesmal die Daumenschrauben etwas fester. Das Album „Vs“ hieß ursprünglich „Five Against One“ und ist 1993 als zweite Album der amerikanischen Band Pearl Jam erschienen. Schon beim ersten Lied „Go“ merkt man eine deutliche Veränderung zum erfolgreichen Debut-Album „Ten“. Rau und aggressiv zeigt uns Sänger Eddie Vedder sofort, was uns im Weiteren zu erwarten hat. Man möchte fast meinen, Pearl Jam möchte dem kommerziellen Erfolg von „Ten“ und dem damit verbundenen Rummel deutlich entgegentreten, was aber nicht gelang, da das Album in der ersten Woche fast eine Million mal verkauft wurde. Es hatte damit den von Nirvana mit ihrem Album „Nevermind“ aufgestellten Rekord gebrochen.
Aggressiv geht es auch mit dem zweiten Lied „Animal“ weiter. In dem Lied steckt eine Menge Wut drin. In den Internet-Foren rund um die Band wird eifrig über den Sinn des Textes diskutiert. Manche meinen, dass es in dem Lied um eine Massenvergewaltigung geht. Andere sehen darin eine Metapher über den Kampf mit der Medienwelt. Eddie Vedder bestätigt lediglich der englischen Musikzeitschrift „Melody Maker“, dass das Lied in einem „Moment des Ärgers“ geschrieben wurde. Über den genauen Sinn schweigt er.
In dem Lied „Daughter“ geht es laut Eddie Vedder um ein Mädchen mit Lernschwierigkeiten, die viel zu spät diagnostiziert und deswegen als Fehlverhalten und Rebellion gedeutet wurden. Dieses Lied zählt zu den beliebtesten Liedern auf Pearl Jam Konzerten und wird dort oft in verschiedenen Versionen gespielt.
Das Lied „Dissident“ geht um eine Frau, die einen politischen Flüchtling aufnimmt. Sie kann allerdings mit dieser Verantwortung nicht umgehen und verrät ihn. Mit dieser Schuld und Erkenntnis muss sie nun leben.
Generell verarbeitet Eddie Vedder in diesem Album immer wieder persönliche Themen. In „Blood“ geht es um sein schwieriges Verhältnis mit den Medien, in dem Lied „Rearviewmirror“ unter anderem darum, wie er seinen verhassten Stiefvater verlässt.
Ein Lied, das mir persönlich sehr gut gefällt, ist „Indifference“. Es ist einer der ruhigen Lieder des Albums – ein fast schon trotziges Lied, dass Eddie Vedder in einer Zeit schrieb, in der er mit dem Ruhm zu kämpfen hatte.
Glückliche Themen sucht man auf dem Album vergebens. Das Fehlen von Musikvideos und die Entscheidung, erst einmal keine Singels von dem Album in Amerika zu veröffentlichen unterstützt die These, dass Pearl Jam im Allgemeinen und Eddie Vedder im Speziellen mit dem Erfolg des Debut-Albums zu kämpfen hatte. Aber gerade dieser Umstand verleiht dem Album eine besondere Energie, die man so wohl nur in einer schwierigen Phase freisetzten kann.
Foto: Danny Clinch